Projekt Nachhilfe für geflüchtete Kinder durch geflüchtete Lehrer
Sprachbrücke Halle e.V.
18. September – 31. Dezember 2017 | Bildung, Integrationsarbeit
Fördersumme: 2000 Euro
Beschreibung entsprechend Antrag
Der Übergang von den internationalen Klassen (IKL) in den regulären Unterricht stellt für Lehrende und Lernende eine besondere Herausforderung dar. Da die Schüler*innen in den internationalen Klassen keinen Fachunterricht erhalten und dadurch oftmals nicht richtig anschließen können, fällt es den Lehrenden schwer, entsprechendes Vokabular zu vermitteln, an dem sich der Unterricht orientiert. Freiwillige, geflüchtete Pädagog*innen erteilen in Absprache mit den Fachlehrer*innen Nachhilfeunterricht in der Landessprache der Schüler*innen, welcher fakultativ und außerhalb der Unterrichtszeit stattfindet. Dies führt zum einen zu einer Entlastung der jeweiligen Fachlehrer und langfristig wahrscheinlich zu weniger Herausforderungen in der Unterrichtsgestaltung und Stoffvermittlung, zum anderen durch gezielte und an den Bedarfen der Schüler angepasste Förderung zu einer Angleichung des Wissensstandes. Hilfe bei der Alphabetisierung der Schüler wurde bereits in einem parallelen Projekt implementiert. Das Projekt sieht vor, mit zunächst sieben arabischsprachigen Pädagog*innen Nachhilfeunterricht in den Fächern Mathe, Physik, Biologie, DAZ und Chemie zu gestalten. Die Begleitung des Nachhilfeprojekts durch Fachdidaktiken in Mathematik und Physik der MLU legt dabei den Schwerpunkt auf die Unterstützung der Nachhilfelehrer/innen. Ziel ist es, diese fachdidaktisch weiterzubilden und an die Schulkultur des deutschen Bildungssystems heranzuführen. Insbesondere Vorstellungen von Lehren und Lernen allgemein und bezogen auf die konkreten Fächer werden adressiert. Folgende „Bausteine“ der fachdidaktischen Begleitung sind geplant: Der Nachhilfeunterricht wird für größere Abschnitte gemeinsam geplant. Der Fokus liegt hier auf der Absicherung der fachlichen Inhalte im Sinne der Lehrpläne (Verwendung der gängigen Fachbegriffe, Klärung der Sachstruktur für den Fachunterricht) und auf dem Nahebringen fachdidaktischer Zugänge (z.B. Sensibilisierung für das Schülervorverständnis, für Problemlösen etc.) Der Nachhilfeunterricht wird durch die fachdidaktische begleitet. Es werden regelmäßig Workshops zu zentralen fachdidaktischen Themen angeboten, um die Nachhilfekräfte weiterzubilden. Begleitet wird dieses Angebot auch aus der sprachsensiblen Perspektive der Deutschdidaktik. Ziel der Begleitung ist die Identifizierung von potenziellen Problemstellen in den Vermittlungsprozessen (Uni-LehrerInnen, LehrerInnen-SchülerInnen) und eine Sensibilisierung der AkteurInnen hinsichtlich eines zugänglich-adaptiven und gleichsam präzisen Fach- und Instruktionssprachgebrauchs. Diese Begleitung wird nach Bedarf konkretisiert. Das Projekt hat einen Modellcharakter und soll – wenn möglich – auch an anderen Schulen in Halle implementiert werden.
Sachbericht
In dem Projekt waren wie geplant sieben geflüchtete Lehrer aus Syrien eingebunden, die in verschiedenen Fächern jeweils zwischen acht und zwanzig geflüchteten Schülern Nachhilfe erteilt haben. Hierbei gab es, gefördert durch die Zurverfügungstellung von Räumen in der Sekundarschule Kastanienallee, eine enge Zusammenarbeit mit den deutschen Fachlehrern, sodass jederzeit Bezug zum laufenden Fachunterricht genommen werden konnte. In Zusammenarbeit mit dem Jobcenter Halle wurden den geflüchteten syrischen Lehrern Informationen zum Projekt ausgehändigt und so ihr Interesse für die ehrenamtliche Arbeit mit Schülern aus Syrien geweckt. Die Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt im Jobcenter Halle, nahm bei zwei Informationsveranstaltungen für die Lehrer teil. Dabei stand sie gemeinsam mit einer Lehrerin der Schule für Rückfragen und auch beratend zur Verfügung. Es war uns außerdem stets ein besonderes Anliegen, den freiwillig tätigen Lehrern Raum und Zeit zu geben, um aktuelle Fragen stellen zu können und Probleme klären zu können. Diese betrafen vornehmlich organisatorische Probleme seitens der Schule (nicht angekündigte Raumänderungen, Unterrichtsausfälle etc.), die Unzuverlässigkeit der Schüler, bedingt durch die Unverbindlichkeit und die fehlende Struktur in der eigenen Arbeit. Auch herrschte bisweilen ein großes Unverständnis über die in Deutschland praktizierten pädagogischen Ausrichtungen, welche der, in arabischen Ländern üblichen, autoritären Lehrmethoden nicht annähernd entsprechen. Besonders dieser Umstand ließ uns den Plan, das Angebot der MLU Deutsch- und Mathedidaktik, im Bereich der Fachdidaktik zu beraten, zunächst aufschieben. Wir werden zuvor mit Empfehlung der Professoren der Fachdidaktiken Unterstützung des FB Pädagogik der MLU erhalten, damit derzeit fehlende Grundlagen vermittelt werden können. Neben den monatlich stattfindenden Treffen mit den geflüchteten Lehrern und den Projektkoordinatoren konnten wir zusätzlich ein Eltern-Lehrer-Treffen durchführen, in dem die Eltern der Nachhilfe erhaltenden Schüler Fragen an die ehrenamtlichen Lehrer stellen konnten. Dieses Treffen erwies sich als sehr nützlich und soll wiederholt werden. An dieser Stelle sollte erwähnt werden, dass eines der größeren Probleme darin liegt, dass es auch unter den geflüchteten Kindern zu rassistisch motivierten, auch körperlichen Auseinandersetzungen kommt. Wir sehen an dieser Stelle einen dringenden Handlungsbedarf und beabsichtigen, gemeinsam mit der Schule und den Nachhilfelehrern nach Konfliktlösungen zu suchen. Zusätzlich zu der geplanten Nachhilfe in DAZ und Mathematik konnten wir auf Wunsch der Schule auch zwei Nachhilfelehrerinnen für das Fach Arabisch stellen, hier kamen die durch die Förderung finanzierten Bücher zum Einsatz. Zusätzlich wurden in allen Nachhilfefächern die gekauften Wörterbücher und Vokabeltrainer intensiv genutzt. Das Projektvorhaben konnte zum größten Teil realisiert werden. Sowohl die geflüchteten Schüler als auch die deutschen Fachlehrer, die sich am Projekt beteiligten, profitierten unmittelbar von der Unterstützung durch die Ehrenamtlichen, denen die Wertschätzung durch ihre deutschen Kollegen und die Lernerfolge der Schüler einen wichtigen Schritt zur Integration in ihrer neuen Heimat ermöglichte. Wir alle sind der Meinung, dass eine Fortsetzung des Projektes überaus sinnvoll wäre, um in Zukunft angerissene Aufgaben gut abschließen zu können. Abschließend sollte noch bemerkt werden, dass das Projekt auf das freundliche Interesse des Ministerpräsidenten des Landes Sachsen-Anhalt Reiner Haseloff. gestoßen ist.