“Nichts verstanden?” / Reverse-Kurse / Schnupperstunde auf Persisch, Arabisch, Pashto

Friedenskreis Halle e.V.

August - Dezember 2017 | Bildung, Sensibilisierung

Fördersumme: 979 Euro

Beschreibung entsprechend Antrag

Im Workshop „Nichts verstanden?!“, der auf 90 Minuten angelegt ist, bieten wir Schüler*innen, Lehrkräften und (Schul)Sozialarbeiter*innen um und in Halle (Saale) einen Perspektivwechsel an. Wir vermitteln Grundkenntnisse des Arabischen, des Persischen oder in Pashto und kommen über unterschiedliche Lebensrealitäten ins Gespräch. Plötzlich wieder Anfänger*in sein, noch einmal schreiben, lesen und sprechen lernen – eine alltägliche Erfahrung für Kinder, die aus anderen Ländern nach Deutschland kommen. Wie ist es, wenn der*die Lehrer*in plötzlich eine fremde Sprache spricht? Wenn schon die Begrüßung nicht verstanden wird und mensch nichts von dem lesen kann, was an der Tafel steht? Nach einer Begrüßung und Vorstellung auf der jeweiligen Sprache lernen die Schüler*innen erste Worte auf Arabisch, Persisch oder Pashto, vor allem Redemittel in Erstbegegnungen und Zahlen von 1-12. Somit wird basaler Grundwortschatz vermittelt, mit dem schon ein zwangloses Zusammenkommen erleichtert werden kann. Vor allem aber wird dies zum Anlass genommen, um gemeinsam die Erfahrungen zu reflektieren, die sie dabei machen. Nach der Sensibilisierung der Schüler*innen durch das eigene, ganz subjektive Erleben der Fremdsprach-Situation kommen wir über Flucht, Asyl, das Ankommen und das Leben in einem neuen Land ins Gespräch. Dabei berichten wir von unseren eigenen Erfahrungen und erzählen über Fluchtgründe und -wege. Wir sprechen von der Situation und Kultur des jeweiligen Herkunftslandes und sind offen für Fragen der Schüler*innen. Geflüchtete sind während des Workshops die Hauptakteur*innen. Begleitet und moderiert werden Teile des Unterrichts von einem*r Deutschmuttersprachler*in. Wir arbeiten sowohl in der Konzeptionierung der Workshops als auch in Vor- und Nachbereitung sowie der Durchführung partizipativ. Menschen mit und ohne Fluchterfahrung können sich, ihre Erfahrungen und ihre Fähigkeiten einbringen. Zurzeit sind wir ein aus zehn engagierten Personen aus Halle bestehendes Team. Unabhängig unseres Herkunftspasses können wir damit die Gesellschaft und v.a. Bildungsprozesse aktiv mitgestalten und als eigenständige Akteur*innen wahrgenommen werden. Es ist die Durchführung von mehreren 90-minütigen Workshops geplant. Diese finden außerhalb des regulären Unterrichts statt, als ergänzendes Angebot am Nachmittag oder zu Projektwochen. Auch führen wir Workshops außerhalb von Schulen durch, zum Beispiel in Einrichtungen von betreutem Freizeitprogramm oder in Jugendclubs.

Sachbericht

Insgesamt wurde der Workshop „Nichts verstanden?“ dreimal durchgeführt. Die Teilnehmenden wurden mit der Situation konfrontiert, sich in einer Schulstunde wiederzufinden, in der (zunächst) kein Deutsch, sondern Persisch, Arabisch oder Pashto gesprochen wurden. Das Nicht-Verstehen der „Lehrkräfte“ sorgte für Irritationen und für Frustration bei den Schüler*innen, denn nicht jede Arbeitsanweisung wurde verstanden. Diese Situation wurde dann aufgelöst und reflektiert. Die Kinder konnten sich dazu äußern, was sie verstanden hatten, welche Sprache sie vermuten und was sie denken, in welchem Land bzw. welchen Ländern die Sprache gesprochen wird. Anschließend wurde der Zeitplan für die nächsten 80 Minuten vorgestellt und angekündigt, dass die restliche Zeit kein Deutsch gesprochen werden darf. Auch das sorgte regelmäßig für Unmut bei den Schüler*innen, aber im Großen und Ganzen waren sie bereit, sich auf diese besondere Situation einzulassen. Immer, wenn es darum ging, die Begrüßungsformeln und Zahlen der jeweiligen Sprache zu lernen, waren die meisten Kinder mit Begeisterung dabei und verwendeten das Gelernte auch noch an den folgenden Tagen. Besonders spannend fanden sie den letzten Teil – der dann wieder auf Deutsch stattfand. Denn hier konnten sie nicht nur landestypische Früchte (Datteln o.ä.) probieren, sondern auch landestypische Kleidung anprobieren und gemeinsam Fotos zu den Themen Landschaft, Familie, Kleidung/Beruf und Fluchtgründen anschauen. Dieser Teil nahm oft mehr Zeit in Anspruch als geplant, weil die Kinder ein großes Interesse aufbrachten und viele Fragen hatten. In der abschließenden Reflexions- und Feedbackrunde konnten sie den Übertrag der künstlichen Situation, der sie selbst ausgesetzt waren, auf die Situation, wie sie Kinder, die aus anderen Ländern in die BRD kommen, täglich erleben, herstellen. So wurde ein Grundstein nicht nur für größeres Verständnis gelegt, sondern auch die Hilfsbereitschaft wurde gesteigert, wenn ein Kind Schwierigkeiten dabei hat(te) Deutsch zu verstehen. Es war sehr bereichernd zu sehen, dass die Kinder, die Schwierigkeiten hatten, sich auf Deutsch zu verständigen, plötzlich die Sprachexpert*innen waren, denn Arabisch, Pasho und Persisch konnten sie sehr wohl verstehen und ausnahmsweise mit ihrem besonders guten Verständnis glänzen. Wir wünschen uns, das Konzept anzupassen und mehr Zeit für die Inhalte des Workshops zu haben. Denn das Interesse für andere Sprachen und Kulturen ist bei den Kindern sehr groß und sollte gefördert werden. Gleichzeitig stehen wir vor der großen Herausforderung, keine Stereotype zu reproduzieren und müssen uns noch intensiv damit auseinander setzen, wie wir es schaffen, dass das, was wir über andere Länder erzählen, nicht als die unumstößliche Wahrheit gilt. Und auch innerhalb der Teamenden-Gruppe ist das Machtverhältnis zwischen Deutschen und Geflüchteten kritisch zu hinterfragen. Entsprechende Treffen sind zu Jahresbeginn geplant.